Betrachtungen über die Normandie (aus Wikipedia)
Die Normandie ist eine historische Provinz im Norden Frankreichs. Das Gebiet gliedert sich in das untere Seinegebiet (die heutige Region Haute-Normandie) nördlich von Paris, das Land in Richtung Westen (Region Basse-Normandie) mit der Halbinsel Cotentin. Zum Herzogtum Normandie gehörten auch die Kanalinseln. Zwischen Pointe de Barfleur und Cap de la Hève erstreckt sich die Baie de Seine, die markanteste Bucht der Normandie. Zur Haute-Normandie gehören die französischen Départements von Seine-Maritime und Eure, Basse-Normandie besteht aus den Départements Orne, Calvados und Manche.
In der Normandie leben 3,5 Millionen Menschen. Die größten Städte sind Rouen (385.000 Einwohner einschließlich Vororten), Le Havre (247.000 Einwohner), Caen (225.000 Einwohner) und Cherbourg (89.000 Einwohner). Früher war Rouen die Hauptstadt der ganzen Provinz, heute ist sie noch Hauptstadt der Haute-Normandie; die Hauptstadt der Basse-Normandie ist Caen.
Die Normandie liegt hauptsächlich im Pariser Becken. Allerdings gehört die Westnormandie zum armorikanischen Massiv.
Die Geologie der Normandie erstreckt sich vom Paläoproterozoikum [1] bis zum Quartär. In Jobourg kommen die ältesten Gesteine Frankreichs zum Aufschluss.[2] Diese mehr als zwei Milliarden Jahre alte Gneise sind auch in der Vogtei Guernsey zu finden. Das Roche d’Oëtre ist eine der malerischsten Landschaften des armorikanischen Massivs. Die Landschaften im armorikanischen Massiv oder im Pariser Becken sind unterschiedlich.[3] An der Grenze zwischen beiden geologischen Einheiten, in Laize-la-Ville neben Caen, sind zwei Diskordanzen zu beobachten: die Cadomische und Variszische Diskordanz.[4] Im Pariser Becken sind zahlreiche Fossilien zu finden. Bayeux hat seinen Namen von Bajocium. Die Kliffküste von les Vaches Noires[5] ist für ihre Fossilien bekannt.
Geschichte der Normandie
Zwischen 58 und 51 v. Chr. eroberte Gaius Iulius Caesar die Region und nannte das Gebiet Lugdunensis secunda. Als erste Städte entstanden Constantia, Augusta und Rotomagus. Ab dem späten 4. Jahrhundert gehörten die befestigten Städte und Kastelle an der Küste zum Limes der sog. Sachsenküste dessen Besatzungen unter dem Befehl eines Dux tractus Armoricani et Nervicani standen.[6] Gregor von Tours erwähnt für die 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts die Niederlassung von Sachsen um Bayeux in der heutigen Normandie. 486/87 siegten die Franken unter dem Merowinger Chlodwig über den letzten gallo-römischen Heerführer Syagrius und besetzten die gallischen Gebiete nördlich der Loire. Chlodwig gründete in Rouen einen Bischofssitz. Im 7. und 8. Jahrhundert kam es zu Klostergründungen in Jumièges, St. Quen und Wandrille. 709 gründete der Bischof von Avranches das Kloster auf dem Mont-Saint-Michel. Im Jahre 841 wurde Rouen von den Normannen gebrandschatzt. Im Jahre 911 betraute Karl der Einfältige den Normannen Rollo mit dem Herzogtum.
Zu ihrem heutigen Namen kam die Normandie im Mittelalter als Heimstatt der Normannen, die sich als Volksstamm aus einheimischen „französischen“ Bewohnern und hinzugekommenen Wikingern gebildet hatten. Nach Ausweis der Sprach- und Ortsnamenforschung stammte die Mehrzahl der ansässig gewordenen Wikinger aus Dänemark, ein kleinerer Teil aus Norwegen. Es ist anzunehmen, dass deren Frauen fast sämtlich aus der ansässigen heimischen Bevölkerung stammten.[7] Die Geschichte des Herzogtums Normandie begann, als der vermutlich aus Norwegen stammende Wikingeranführer Rollo (Gånge Rolf), der das Gebiet der Seine um Paris verwüstet hatte, im Vertrag von Saint-Clair-sur-Epte vom westfränkischen König Karl dem Einfältigen die Normandie als Lehen zugesprochen bekam (911). Er wurde so in den westfränkischen „Staat“ eingebunden, sollte die Normandie gegen weitere Überfälle von außen kommender Wikinger verteidigen (seine Aufmerksamkeit vom Binnenland zur Küste verlagern).
Rollos Nachfahren Wilhelm, Herzog der Normandie, gelang 1066 die Eroberung Englands, was ihm den Beinamen „der Eroberer“ einbrachte. Er ließ sich dort zum König krönen. Die Herzöge der Normandie waren bis 1087, von 1106 bis 1144 und ab 1154 auch Könige von England, ehe die Normandie 1204 während eines Französisch-Englischen Kriegs vom französischen König Philipp II. erobert wurde. Während des Hundertjährigen Krieges (1337–1453) war sie von 1346 bis 1360 und nochmal von 1415 bis 1450 von englischen Truppen besetzt.
Während des Zweiten Weltkrieges war die Normandie von der deutschen Wehrmacht besetzt. Die Küste der Basse Normandie diente den West-Alliierten als Landungszone für die lange geplante Invasion. Die folgende verlustreiche Expedition, auch bekannt als Operation Overlord, begann am 6. Juni 1944 mit 6.400 Landungsfahrzeugen. Nachdem die US-Army, die Briten und Kanadier zwei Monate von deutschen Verbänden festgehalten worden waren, brachen die Amerikaner am 25. Juli 1944 aus dem Kessel aus und drangen ab dem 1. August 1944 bei Avranches weit in die Normandie und die benachbarte Bretagne ein. Da der das Oberkommando führende britische Feldmarschall Bernard Montgomery die deutschen Panzer von der Ausbruchstelle abgelenkt hatte, litt vor allem Caen sehr unter den Kämpfen im Osten des Landes, die erst nach der Schlacht von Falaise vom 15. bis 22. August 1944 und der Befreiung von Paris am 25. August 1944 endeten.[8]
Meeresfrüchte in der Gastronomie von Étretat
Die drei großen C’s stehen für die normannische Küche: Cidre, Calvados und Camembert. Das milde und feuchte Klima bietet ideale Voraussetzungen für die Viehhaltung sowie für den Anbau von Äpfeln. Schätzungen gehen davon aus, dass in der Region etwa 10 Millionen Apfelbäume stehen, die von Mitte April bis Mitte Mai blühen. Der Apfelschaumwein Cidre wird nicht nur als Getränk genossen, sondern auch zum Kochen verwendet, zum Beispiel für die Herstellung von Normannischer Sauce oder Tripes à la mode de Caen (Kutteln auf Caener Art). Calvados ist ein Apfelbrandwein. Camembert ist nicht die einzige in der Normandie beheimatete Käsesorte. Livarot, Pont-l’Évêque und Neufchâtel sowie einige neuere Käsesorten (z.B. Boursin, Le Coutances) stammen ebenfalls aus der Normandie.
Beurre d’Isigny (Butter aus Isigny-sur-Mer) und Crème d’Isigny (Sahne aus Isigny-sur-Mer) gibt es seit dem 16. Jahrhundert. Seit 1986 tragen sie die kontrollierte Herkunftsbezeichnung (Appellation d’Origine Contrôlée, AOC) Isigny-Sainte-Mère und seit 1993 die geschützte Herkunftsbezeichnung Appellation d’origine protégée (AOP).[14]
Darüber hinaus werden insbesondere die touristisch erschlossenen Küstenorte der Normandie ganzjährig unter anderem wegen ihrer frischen Meeresfrüchte, Miesmuscheln à la Crème und à la Normande sowie der Fischspezialitäten von Feinschmeckern aus dem französischen Hinterland sowie ausländischen Urlaubern aufgesucht.[
Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Normandie zu einem beliebten Reiseziel. Als Napoleon die Hafenstadt Dieppe gemeinsam mit seiner Gattin Marie-Louise von Österreich besuchte, war Dieppe schon ein populärer Urlaubsort der britischen High Society. Hortense de Beauharnais und die Herzogin von Berry, Marie Caroline, machten Dieppe kurz darauf zum ersten Seebad Frankreichs. Vor allem waren sie von den romantischen Burgen und Abteien begeistert sowie von der Möglichkeit, auf den Spuren ihrer Ahnen wandeln zu können. Stendhal prägte daraufhin das Wort Tourismus und William Turner illustrierte den ersten Reiseführer „Romantic Normandy“, der 1828 in zwei Bänden erschien.
Besondere touristische Attraktionen sind der sagenumwobene Mont-Saint-Michel und der weltberühmte Teppich von Bayeux. Weitere Sehenswürdigkeiten sind Haus und Garten des Impressionisten Claude Monet in Giverny, die weißen Kreidefelsen von Etretat und die Landungsküste, an der die alliierten Truppen am 6. Juni 1944, am sogenannten D-Day, landeten. La Cité de la Mer ist ein in Cherbourg gelegenes Museum, das dem Meer gewidmet ist.
Die meisten ausländischen Touristen kommen aus England (2012: 791.330 Übernachtungen), Niederlande (2012: 628.661 Übernachtungen), Belgien (2012: 393.383 Übernachtungen) und Deutschland (2012: 330.270 Übernachtungen). Beide Regionen, Haute-Normandie und Basse-Normandie, haben sich zu einem gemeinsamen Tourismusverband der Normandie zusammengeschlossen, der seinen Sitz in Évreux hat.[
Aus: Süddeutsche Zeitung
Region: Évreux
Les Andelys
Auf einem Kalkfelsen hoch über einem malerischen Seinebogen und der beschaulichen Stadt (8500 Ew.) thronen knapp 40 km nordöstlich von Évreux die gewaltigen Ruinen der stolzen Zitadelle Château Gaillard. 1196 unter Richard Löwenherz innerhalb von nur zwei Jahren erbaut, war die Burg ein wichtiges Bollwerk der normannischen Verteidigung gegen Frankreich. Die Reste - vor allem der von einem Graben und einer Verteidigungsmauer umgebene Donjon - sind ebenso fotogen wie der großartige Rundblick über das Tal der Seine. |
Giverny
An der Einmündung des Flusses Epte in die Seine steht im dörflichen Giverny 35 km östlich von Évreux eine der großen Attraktionen der Normandie: das einstige Wohnhaus des bedeutenden Impressionisten Claude Monet. In dem nach den Intentionen des Meisters gestalteten Garten um die kleine japanische Brücke und den Seerosenteich finden Sie eine Blumenszenerie und Blütenfülle ohnegleichen | (April-Okt. Di-So 9.30-18 Uhr | 5,50 Euro | www.fondation-monet.com).
Einen Besuch lohnt auch das 1992 von dem Chicagoer Kunstmäzen Daniel J. Terra gegründete Musée d'Art Américain (April-Okt. Di-So 10-18 Uhr | 99 rue Claude Monet | 5,50 Euro | www.maag.org), in dem Werke der amerikanischen Impressionisten, die sich in Giverny um Monet scharten, ausgestellt sind. Das lichtdurchflutete, moderne Gebäude lädt mit salon de thé und Restaurantterrasse, einer Kunstbuchhandlung und Veranstaltungen zum Verweilen ein.
Region: Le Havre
Étretat
Aus einem stillen Fischerdorf rund 30 km im Norden hat sich ein lebendiger Badeort (1600 Ew.) entwickelt, der zu jeder Jahreszeit viele Besucher anzieht - vor allem wegen der grandiosen Naturkulisse aus weißem Kalkgestein links und rechts des Kieselstrandes. Westlich erhebt sich die Kalkklippe Falaise d'Aval mit Blick auf die phantastische Aiguille (Nadel) und den aus den Klippen ins Meer hineinragenden Torbogen. Auf der östlichen Seite ermöglicht die Falaise d'Amont einen herrlichen Rundblick auf den Ort und die fotogenen Gesteinsformationen gegenüber. Im Ort lohnt es sich, die Kirche Notre-Dame und die Altstadt mit den alten Markthallen zu besichtigen. Für Fans skurriler Felsformationen: Nur 4 km weiter, am Cap d'Antifer, gibt es mit der Aiguille Belval noch eine weitere Felsnadel zu bewundern.
Am Ortsausgang Richtung Le Havre in Le Valaine halten Agnès und Bernard Dherbécourt rund um ihren schmucken Manoir de Cateuil (route du Havre | www.levalaine.com) eine ansehnliche Ziegenherde. Deren Milch wird vor Ort in Köstlichkeiten wie Käse oder Schokolade verwandelt - zusehen erwünscht, Verkauf im Hofladen.
Region: Cherbourg
Halbinsel La Hague
Die Halbinsel westlich von Cherbourg prägen granitene Postkartendörfer wie Omonville-la-Rogue, Saint-Germain-des-Vaux oder Auderville in wilder Heidelandschaft, malerische Buchten, geschützt von mächtigen Kaps, Frankreichs kleinster Hafen (Port Racine) und ein mächtiger Leuchtturm in der reißenden, bis zu 20 km/h schnellen Meeresströmung Raz Blanchard bei Goury. Dazu kommen großartige Aussichtspunkte (etwa Nez de Jobourg mit Blick auf die Kanalinseln) und ein einmaliges Dünenmeer bei Biville.
Der Küstenwanderweg GR 223 verbindet diese Höhepunkte auf spektakuläre Weise. Wanderführer bekommen Sie im Buchhandel und bei den Touristinformationen. Ziemlich deplatziert wirkt an dieser Stelle die nukleare Wiederaufbereitungsanlage der Cogema bei Beaumont; den einzigartigen Gesamteindruck der Kaplandschaft kann sie aber nicht wirklich trüben.
Region: Rouen
Jumièges
Die großartige Abteianlage der Benediktiner aus dem 10./11. Jh. rund 30 km westlich von Rouen zählt ohne Frage zu den eindrucksvollsten Ruinen der Normandie. Die beiden 46 m hohen Fassadentürme der Abteikirche Notre-Dame aus dem 11. Jh. lassen die ursprünglichen riesigen Ausmaße des Bauwerks erkennen. Vom Laternenturm steht noch eine Wand. Schöne präromanische Teile zeigt die Kirche Saint-Pierre aus dem 14. Jh. In den bis heute erhaltenen Klostergebäuden sind die steinerne Treppe, Teile des Kapitelsaals und der Keller aus dem 12. Jh. zu besichtigen. |
Region: Alençon
Le Pin-au-Haras
In dem kleinen Ort 45 km nördlich prägt schlichte, eindrucksvolle Eleganz das zum Staatsgestüt Haras du Pin gehörende Château (18. Jh.). Im Gegensatz zum Schloss können der in Hufeisenform angelegte Innenhof und die Stallungen des über die Grenzen hinaus berühmten Gestüts besichtigt werden.
Region: Bayeux
Tapisserie de Bayeux
Bereits in den Jahrhunderten vor der Invasion von 1944 gab es spektakuläre Landungen diesseits und jenseits des Kanals. Eine der ersten ist in Bildern anschaulich dokumentiert: die Überfahrt des Normannenherzogs Wilhelm nach England im Jahr 1066. 58 auf einem 70 m langen, 50 cm breiten Leinenband aufgestickte Bilder aus dem 11. Jh. stellen anschaulich und eindrucksvoll die Überfahrt und die Eroberung Englands dar - fast wie in einer bande dessinée, einem modernen Comicstrip. Die große Attraktion von Bayeux - ursprünglich für die Ausschmückung der Kathedrale gedacht - hängt im Centre Guillaume le Conquérant, einem eigens umgebauten Jesuitenkolleg. Seit Kurzem ist die Tapisserie Bestandteil des Unesco-Welterbes der Menschheit. Das Museum wurde 2007 vollkommen modernisiert und auf den neuesten Stand der Museumstechnik gebracht.